Erinnerungsarbeit leisten die Clubschwestern von SI Seeheim-Jugenheim jeden Herbst: Immer ein paar Tage vor dem 9. November, der Wiederkehr der Pogromnacht 1938, polieren sie die Stolpersteine in der Gemeinde. Die kleinen Namenstafeln, die an die in der Nazizeit verfolgten und ermordeten jüdischen Bürger erinnern, bestehen aus Messing. Im Laufe des Jahres stumpfen sie ab und werden unleserlich. Erinnerung muss aber sichtbar sein, um lebendig zu bleiben. Darum kümmern sich die Clubschwestern vor Ort.
PFR-Nummer: SIE-03911
Für SI Seeheim-Jugenheim steht das Projekt „Stolpersteine“ unter dem internationalen SI-Leitmotiv „Educate to lead“ – denn nur wer die Geschichte kennt, der kann Menschen verantwortungsbewusst in die Zukunft leiten. SI Seeheim-Jugenheim erinnert damit auch an die Soroptimistinnen jüdischen Glaubens des ersten deutschen SI-Clubs in Berlin. Einige konnten nach 1933 fliehen und überleben – auch dank der Hilfe ausländischer Soroptimistinnen.
SI Seeheim-Jugenheim hat selbst vier Stolpersteine finanziert. Darüber hinaus übernahm der Club die Gestaltung der drei Flyer zu den einzelnen Stolpersteinverlegungen und überstützte deren Druck finanziell. Die Clubschwestern betreuen auch ausländische Gäste, die auf den Spuren ihrer jüdischen Vorfahren Seeheim-Jugenheim und die Stolpersteine besuchen. Im Frühjahr 2013 kamen David und Tamara Rosenfeld nach Seeheim-Jugenheim. Familie Türck war zur Verlegung der Stolpersteine für ihre Vorfahren im Herbst 2013 aus England angereist.
Anfang 2015 organisierte SI Seeheim-Jugenheim die fünfteilige Vortragsreihe "Auf jüdischen Spuren in und um Seeheim-Jugenheim". Rund 200 Gäste – darunter auch Schwestern aus den Nachbarclubs – und die Presse kamen zu den Vorträgen. Die Kommune stellte als Kooperationspartner die Räume und Technik zur freien Verfügung. Zwei Konzerte halfen bei der Finanzierung der Aktivitäten: Die Einnahmen aus dem Benefiz-Konzert des German American Community Choirs "Brahms Requiem" 2013 und das Benefiz "Der jüdische Witz überdauert die Zeit" mit Irith Gabriely kamen direkt dem Stolperstein-Projekt zugute.
Die Arbeitsgruppe Stolpersteine im Club kümmerte sich weiterhin um die Aufarbeitung der Schicksale und polierte außerdem einmal im Jahr jeweils um den 9. November herum alle Stolpersteine in der Gemeinde, um die Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bürger und Bürgerinnen in Seeheim und Jugenheim wach zu halten. Clubschwester Linda Horowitz unterstützte intensiv die von der Gemeinde ab 2021 initiierten Recherchen zu einer geplanten Stolperstein-App. Sie half den Arbeitsgruppen dabei, die Geschichten hinter den Namen auf den Stolpersteinen zu recherchieren und stellte dazu unter anderem auch den persönlichen Kontakt zur Familie Rosenfeld her. Ziel der Arbeitsgruppe im SI-Club war stets die Weitergabe der Stolperstein-Pflege an Jüngere, die ja erst noch aus der Geschichte des Holocausts lernen.
Das gelang: Seit 2021/22 pflegen die Konfirmandinnen und Konfirmanden der jeweiligen Jahrgänge in Seeheim und Jugenheim die Stolpersteine. Auch die Schülerinnen und Schüler der Geschichtskurse am Schuldorf Bergstraße wollen sich in Zukunft um die Stolpersteine in der Kommune kümmern.